Auf der Suche nach einer Didaktik
der Urteilsformen
und einer
auf ausdifferenzierte
Handlungsfelder
bezogenen
partizipatorischen Erziehung
Weite Teile der didaktischen,
schulpädagogischen und
schulreformerischen Diskussion
werden gegenwärtig von dem Dual
Wissens- oder Anwendungsorientierung
beherrscht.[1]
Unter Wissensorientierung wird dabei
sowohl Alltagswissen als auch im
schulischen Unterricht vermitteltes
Wissen verstanden. Letzteres bezieht
sich in der Sekundarstufe I auf den
Bereich der Kunden und in der
Sekundarstufe II auch auf
wissenschaftspropädeutisches Wissen.
Unter einer stärkeren
Anwendungsorientierung wird dagegen
eine Orientierung schulischer
Lehr-Lern-Prozesse an Kompetenzen
verstanden, die für das Lösen
konkreter Aufgaben erforderlich
sind. Der Dual Wissens- oder
Anwendungsorientierung verweist dann
auf eine Ablösung älterer
Vorstellungen, denen zufolge
Unterricht vornehmlich Wissen
vermitteln soll, durch neuere
Reformkonzepte, welche öffentliche
Erziehung stärker darauf
verpflichten, pragmatische
Kompetenzen bei Schülerinnen und
Schülern zu entwickeln, die für das
Leben in der modernen Welt sowie im
Beruf brauchbar und nützlich sind.
Dass öffentliche
Schulen Kompetenzen erzeugen helfen,
die für weiterführende Lernprozesse
brauchbar und nützlich sind, ist
jedoch keine Errungenschaft
gegenwärtiger Reformbemühungen,
sondern gehört seit den Anfängen des
Nachdenkens über gemeinsam zu
organisierende Lehr-Lern-Prozesse
zum Kernbestand der didaktischen und
schulpädagogischen Theoriebildung.
Der Dual Wissens- oder
Anwendungsorientierung greift daher
zu kurz. Er blendet die
Zusammenhänge aus, die zwischen den
Bildungszielen eines wissens- und
eines anwendungsbezogenen
Unterrichts bestehen. Will man nicht
der Illusion erliegen, Schule und
Unterricht ließen sich von einer
Wissens- auf eine
Anwendungsorientierung umstellen,
muss man sowohl die Wissens- als
auch die Anwendungshorizonte
öffentlicher Erziehung und
Unterweisung genauer fassen, als
dies in der gegenwärtigen Diskussion
oft der Fall ist.
Die folgenden
Überlegungen versuchen zu zeigen,
dass die Wissensorientierung von
Unterricht auf die Entwicklung einer
Urteilskompetenz zielt, welche die
klassischen Formen von Erfahrung,
Wissen, Lernen und Lehren
berücksichtigt, und dass eine
angemessene Anwendungsorientierung
darin liegen könnte,
Querverbindungen zwischen den
unterschiedlichen Formen des Wissens
und den ausdifferenzierten Feldern
des gesellschaftlichen Handelns in
Lehrplänen, Unterrichts- und
Evaluationskonzepten stärker zu
berücksichtigen. Eine der aktuellen
Aufgabe von Reformen im
Bildungssystem wäre es dann nicht,
eine ehemalige Wissens- durch eine
neuartige Anwendungsorientierung zu
ersetzen, sondern Konzepte der
Entwicklung von Urteils- und
Partzipationskompetenz zu entwickeln
und diese sowohl domänenspezifisch
als auch fächerübergreifend zu
erproben und zu kontrollieren.
Meine Überlegungen
gliedern sich in vier Teile. Im
ersten Teil werden Umrisse einer
Didaktik der
Urteilsformenvorgestellt, in der
unterschiedliche Arten der
Erfahrung, des Wissens, des Lernens
und Lehrens zum Zuge kommen. Der
zweite Teil erläutert das Gemeinte
an einem klassischen Beispiel. Der
dritte Teil versucht zu zeigen, dass
das Konstrukt der methodischen
Leitfrage hilfreich sein könnte, um
die Beziehungen zwischen
systematischer Didaktik, empirischer
Bildungsforschung und Fachdidaktiken
auf eine neue Grundlage zu stellen.
Im letzten Teil werden einige
Folgerungen für die weitere
Diskussion über Möglichkeiten und
Aufgaben einer an Urteils- und
Partizipationskompetenz
interessierten Unterrichts- und
Bildungsforschung skizziert.
1. Vorüberlegungen zu
einer Didaktik der Urteilsformen
Schulisches Lernen
vollzieht sich im Unterschied zum
vor- und außerschulischen Lernen
nicht in einer Einheit von Lernen
und Anwenden, sondern führt in
Kulturtechniken, Wissensformen und
Reflexionsweisen – wie
Schriftsprache, Mathematik,
naturwissenschaftliche
Grundkenntnisse, Geschichte oder
Fremdsprachen, aber auch wie
sozialer Umgang mit Andersdenkenden
und Fremden – ein, die im
unmittelbaren Gebrauch oder durch
unmittelbare Teilhabe weder erworben
noch sach- und sinnangemessen
verwendet und eingesetzt werden
können. Unmittelbar
anwendungsbezogene, ohne den Umweg
über Wissen auskommende Aufgaben
beziehen sich dagegen auf ein
früheres oder späteres Stadium im
Lernen, machen aber nicht die basale
Struktur schulischer Erziehung und
Unterweisung aus. Schulisches Lehren
und Lernen soll Erfahrung und Umgang
zunächst einmal überschreiten und
künstlich erweitern. Eine Einheit
von Lernen und Anwenden, die es sie
beim Sehen-, Gehen- und Laufen-
sowie Sprechenlernen gibt, kann,
darf und muss es in schulisch
institutionalisierten
Lehr-Lernprozessen nicht als
Normalfall geben.
Schon Herbart
bestimmte von hierher die Aufgaben
schulischer Erziehung und
Unterweisung als solche einer
Erweiterung von Erfahrung und
Umgang. Schulische Erfahrung (1)
soll zu wissenschaftlicher oder
spekulativer Welterfahrung (2) und
zu Kunst und Geschmack (3),
zwischenmenschlicher Umgang (4)
dagegen zu Interesse an Gesellschaft
und Politik (5) sowie zu Religion
(6) erweitert werden.
Herbarts erste Trias
von alltäglicher Erfahrung,
spekulativer Wissenschaft und
ästhetischer Welterfahrung zielte
darauf, dem Paradigma von
neuzeitlicher Wissenschaft und
Spekulation kein Monopol gegenüber
alltäglichen Erfahrungen
einzuräumen. Darum sieht sie keine
Aufhebung von Erfahrung in
Wissenschaft, sondern eine doppelte
Erweiterung der Vorerfahrungen der
Lernenden zu neuzeitlicher
Wissenschaft und Kunst vor. Diese
Trias lässt sich heute mit Blick
auf die im 20. Jahrhundert
erarbeite Pluralisierung kritischer
Urteilsformen als Ausdifferenzierung
des Wissens in lebensweltliche,
teleologische,
hypothetisch-szientifische,
historisch-hermeneutische,
ideologie-kritische und
voraussetzungs-kritische
Wissensformen fassen.
Unterscheidung von Erfahrungs- und Wissensformen
(1)
Lebensweltliche
Erfahrung/Wissensform
(2)
Teleologische
Erfahrung/Wissensform
(3)
Hypothetisch-szientifische
Erfahrung/Wissensform
(4)
Historisch-hermeneutische
Erfahrung/Wissensform
(5)
Ideologiekritische
Erfahrung/Wissensform
(6)
Voraussetzungskritische
Erfahrung/Wissensform
Auch in Herbarts
zweiter Trias wird deren
Ausgangsform, der
zwischenmenschliche Umgang, nicht in
Politik und Religion aufgehoben oder
überführt, sondern zur Trias von
Ethik, Politik und Religion
ausdifferenziert. Eine Analoge
Erweiterung wie für die erste Trias
kann auch für die zweite vorgenommen
werden. Der durch Sitte und
Konventionen bestimmte unmittelbar
zwischenmenschliche Umgang
differenziert sich heute nicht nur
zu Partizipationen an Gesellschaft
und Politik sowie Religion, sondern
auch in solche von Beruf und
Ökonomie sowie ästhetischen und
medialen Weltdarstellungen aus.
Für schulische
Lehr-Lern-Prozesse im Bereich der
Ausdifferenzierung der Urteils- wie
der Partizipationsformen gilt, dass
in ihnen Lehrer ebenso wenig durch
bloße Wissensvermittlung wie durch
unmittelbares Anwenden eines zu
Lernenden oder zu Könnenden lehren,
sondern durch einen Unterricht, der
die anzueignende Sache erst einmal
fragwürdig werden lässt und die
weiterführenden Lehr-Lernprozesse,
wie Klaus Prange (2005) kürzlich
eindrucksvoll ausgeführt hat, durch
Akte eines didaktischen Fragens und
Zeigens steuert. Die Fragen sind
dabei von den Lehrenden jeweils so
zu stellen, dass sie nicht die zu
suchenden Antworten vorgeben,
sondern bei den Lernenden eine
Denkbewegung in Gang setzten, die
über Irritationen, Staunen und
negative Erfahrungen vermittelt
sind. Auf diese Weise lassen sich in
schon erworbenen
Wissenszusammenhängen „Spalte“
öffnen, an die sich Neues anlagern
kann.[2]
Für Bildungsprozesse gilt, was der
französische Schriftsteller Robert
Bober an den „Auszügen aus dem
Tagebuch von Raphaël (1981-1982)”,
einem Juden, der den Holocaust
überlebte, so verdeutlicht: Es ist
jeweils das Unsichtbare oder
„Fehlende, das sehen läßt.“ (Bober
1997, S. 157f.)
2.
Erläuterung an einem klassischen
Beispiel
An einem
Sokratisch-Platonischen Beispiel
lassen sich die bisher nur
theoretisch angesprochenen
Zusammenhänge verdeutlichen.
Sokrates führt mit Menon, dem
Oberhaupt einer Familie, im
gleichnamigen Text ein Gespräch über
Lehren und Lernen. In diesem
Gespräch geht es bereits um die
später im Höhlengleichnis
explizierte These, dass Lernprozesse
sich durch Blickwechsel vollziehen,
welche Lernende, angestoßen durch
Fragen und Irritationen, vollziehen,
und dass die Kunst des Lehrens nicht
darin besteht, „blindern Augen ein
Gesicht einzusetzen“, sondern darin,
solche Blickwechsel zu veranlassen
und anzubahnen. Am Beispiel einer
geometrischen Aufgabe verdeutlicht
Sokrates im Gespräch mit Menon und
einem Knaben aus dessen
Familiengemeinschaft, was hierunter
zu verstehen ist. Er vergewissert
sich zunächst, dass der Knabe, der
zuvor keinen Unterricht in Geometrie
erhalten hat, aus der Alltags- und
Umgangssprache die Form des
Quadrates und die Länge der
Maßeinheit eines Fußes kennt.
Ausgangspunkt der Irritationen und
Blickwechsel ist die Figur eines 2 x
2-füßigen Quadrats, das Sokrates mit
dem Knaben abgesteckt hat oder in
den Sand eingezeichnet hat:
Sokrates fragt den
Knaben, ob er wisse und zeigen
könne, was das Doppelte dieses
Quadrats sei. Da der Knabe hat nicht
nur von der Form des Quadrats und
der Länge eines Fußes, sondern auch
vom Doppelten schon erworbene
Vorstellungen hat, verlängert er,
seines Vorwissens sicher, die
Außenseiten des 2 x 2- oder
4-füßigen Quadrats auf das Doppelte
und gelangt auf diese Weise zu der
folgenden Figur:
Auf Sokrates
Nachfragen vollzieht er dann jedoch
einen ersten Blickwechsel und
bemerkt, dass er mit der
Verdoppelung der Seitenlänge die
Fläche der Ausgangsfigur nicht
verdoppelt, sondern vervierfacht
hat. Er sucht daraufhin nach einem
Quadrat, das größer als das
Ausgangs- und kleiner als das
vervierfachte Quadrat ist. Auf
diesem Wege gelangt er zu der
folgenden neuen Antwort:
Aber auch diese
Antwort hält der Prüfung nicht
stand. Durch Nachzählen findet der
Knabe heraus, dass das so gefundene
Quadrat ist nicht das Doppelte des
vierfüßigen, sondern anstelle des
8-füßigen Quadrats ein Quadrat von 3
x 3, also 9 Füßen umfasst.
Wissen und
Nicht-Wissen befinden sich im Denken
des Knaben nun in einer gewissen
Konfusion. Er weiß nun, dass er das
Richtig nicht weiß. Er befindet sich
in einem Zwischenraum zwischen
Wissen und Nicht-Wissen, Können und
Nicht-Können. Er weiß, dass keines
des für ihn sichtbaren Quadrate das
gesuchte ist und dass alle
Blickwechsel, die er bisher vollzog,
nicht zu der gesuchten Antwort
hingeführt haben. Das Richtige muss
er nun im Falschen suchen und er
weiß nicht, wie er es in diesem
finden kann.
An dieser Stelle
kommt Sokrates dem Knaben zur Hilfe.
Die Hilfe besteht nicht darin, dass
er blinden Augen ein Gesicht
einsetzt, sondern dass er einen
neuerlichen Blickwechsel anstößt und
vor dem Knaben auf etwas zeigt, was
dieser nicht sieht bzw. noch nicht
gesehen hat, aber in den Blick
nehmen muss, um angesichts der
aufgetretenen Irritationen etwas
Neues Lernen und auf dessen
Grundlage dann weiterlernen zu
können.
Woraus zeigt
Sokrates? Die Antwort gibt die
folgende Figur:
Sokrates zeigt nicht
auf horizontale oder vertikale
Linien, sondern auf die Diagonale im
Ausgangsquadrat und eröffnet dadurch
im Wissen und Nicht-Wissen des
Knaben einen Spalt, in dem neues
Wissen und Können Raum gewinnen
kann. Der Knabe beginnt durch diesen
Hinweis, seinen eigenen Blick nicht
nur auf die horizontalen und
vertikalen Linien im Quadrat zu
lenken, sonder auch nach geeigneten
Diagonalen zu suchen. Nun erkennt
er, dass die Diagonale das
Ausgangsquadrat halbiert, und indem
er auch in die drei an dieses
angrenzenden Quadrate Diagonalen
einzeichnet, findet er schließlich s
Doppelte des vierfüßigen
Ursprungsquadrats:
Das Beispiel zeigt,
dass die Logiken des Lehrens und des
Lernens keineswegs identisch sind
und dass Lehr-Lernprozesse durch
didaktische Akte des Fragens und
Zeigens gesteuert werden können, in
denen der Lehrer nach etwas fragt
und auf etwas zeigt, dass sich auf
Vorstellungsräume zwischen Wissen
und Nicht-Wissen sowie Können und
Nicht-Können der Lernenden bezieht.
Auf diese Weise erkennen Lehrer die
Bildsamkeit ihrer Schüler an, indem
sie diese durch Fragen und Zeigen
mit einer bildsamen Welt
konfrontieren und zum Selberdenken
und -Urteilen sowie -Handeln
auffordern.
An Platons
didaktischer Lektion im Menon lassen
sich nicht nur die unterschiedlichen
Logiken des Lehrens und Lernens,
sondern ansatzweise auch die weiter
ausdifferenzierten sechs
Wissensformen erläutern. Die
gezeigten Figuren stellen nicht
geringeres als die antike Version
des Satzes des Pythagoras dar. Von
der in ihm eingegangenen
lebensweltlichen Form der Erfahrung
und des Wissens ist schon bei Platon
die Rede. Die 4-, 9- und 16-füßigen
Quadrate basieren ja nicht
unmittelbar auf abstrakten
geometrischen Annahmen. In die
Quadrate ist vielmehr die heute noch
in nautischen Maßen wirksame
lebensweltliche Form der Erfahrung,
eingegangen, die wir beim
Abschreiten von Füßen in Sand machen
können. Ihnen liegt zugleich eine
teleologische Form der Erfahrung und
des Wissens zugrunde, die von einer
keineswegs durch den menschlichen
Verstand erfundenen, sondern von
einer von diesem in der Welt
vorgefundenen inneren Zweckmäßigkeit
zeugt. Die dem Quadrat eigene
zweckmäßige Ordnung können wir heute
noch an Faltspielen bemerken, die
Kinder im Kindergarten ausführen,
wenn sie die Ecken von Quadraten
unter Halbierung der Außenseiten
eines Quadrats so einschlagen oder
knicken, dass dabei ein Quadrat
entsteht, dessen Fläche genau halb
so groß ist. Diese Ordnung zeigt
sich im Menon-Beispiel als immanente
Zweckmäßigkeit des 16-füßigen
Quadrats, aus dem durch den von
Sokrates angestoßenen und von dem
Knaben vollzogenen Blickwechsel das
gesuchte 8-füßige Quadrat als das
doppelte des 4-füßigen
Ausgangsquadrats entsteht. Die
Zeigekunst des Sokrates ist wie die
Bildsamkeit des suchenden und
findenden Knaben nicht nur an
lebensweltliche Erwahrungen, sondern
auch an die innere Zweckmäßigkeit
der Ordnung des Quadrats selbst
zurückgebunden. Sie erlaubt es dem
Knaben, im Flaschen – dem 16-füßigen
Quadrat – das Richtige zu suchen und
auf dem Umweg vom 4-füßigen über das
16-fügige zum 9-füßigen Quadrat
schließlich im 16-füßigen das
8-füßge Quadrat zu finden.
Wir kennen den Satz
des Pythagoras nicht in der Form der
von Sokrates und dem Knaben in den
Sand eingezeichneten Figuren,
sondern denken an ein rechtwinkliges
Dreieck, dessen beide
Kathetenquadrate in der Summe die
Fläche des Hypotenusen-Quadrats
haben. Die
hypothetisch-szientifische Logik des
modernen Satzes des Pythagoras
erschließt sich uns erst, wenn wir
diese nicht mehr teleologisch aus
der inneren Zweckmäßigkeit
geometrischer Formen, sondern als
Konstrukt des neuzeitlichen
Verstandes fassen, welcher denkend
Ordnungszusammenhänge entwirft, um
diese an der Erfahrung zu
überprüfen. Im cartesischen
Koordinatensystem nimmt der antike
Satz des Pythagoras die Gestalt der
für den Kreis geltenden Gleichung x2
+ y2 = r2 an,
welche für die x-Werte der Abszisse
und y-Werte der Ordinate all jener
Punkte gilt, die zusammen den Kreis
bilden.
In dieser Version
wird der Satz des Pythagoras nicht
teleologisch, sondern durch das „Ich
denke“ des neuzeitlichen Subjekts
konstituiert, welches nicht nach
immanenten Zweckmäßigkeiten sucht,
die es erkennend nachzuahmen gilt,
sondern auch im Bereich
geometrischer Systeme in die Natur
mathematische Gesetze hineinlegt, um
diese an der Erfahrung zu
überprüfen.
Betrachtet man die
Differenzen zwischen der
teleologischen und der
hypothetisch-szientifischen Version
des Satzes des Pythagoras, so lassen
sich leicht Bezüge zu den drei
anderen Wissensformen herstellen.
Die Differenzen zwischen der antiken
und der neuzeitlichen Version des
Satzes des Pythagoras können nämlich
historisch-hermeneutisch an den
Übergang vom antiken zum
neuzeitlichen Denken zurückgebunden,
ideologiekritisch durch einen
Vergleich aristotelischer und
baconianischer Wissensformen
kontextualisiert sowie
voraussetzungskritisch in ihren
jeweiligen Wahrheitsansprüchen
problematisiert werden.
Ein Unterricht, der
domänenspezifisch in die
ausdifferenzierten sechs Erfahrungs-
und Wissensformen einführt, kann die
Entwicklung einer Urteilskompetenz
fördern, in der die pluralen Formen
von Kritik angemessen zur Geltung
kommen. Ein solcher Unterricht wird
Deduktionszusammenhänge vom Lehren
zum Lernen oder umgekehrt vermeiden
und zwischen den Logiken des Lehrens
und jenen des Lernens
grundlagentheoretisch,
fachspezifisch und empirisch
unterscheiden.
3.
Zur Bedeutung methodischer
Leitfragen
In diesem Zusammenhang gewinnt eine
didaktische Konzeption heute neue
Bedeutung, die der
Erziehungswissenschaftler Herwig
Blankertz in seinen „Theorien und
Modellen der Didaktik“ entwickelt
hat, wenn er dort von einem
„Implikationszusammenhang
inhaltlicher und methodischer
Entscheidungen“ bei der
Konzeptionalisierung von
Lehr-Lernprozessen sprach. Blankertz
These vom methodischen
Implikationszusammenhang besagt,
dass der Methode nicht nur eine
technisch-operative, sondern darüber
hinaus auch eine
„gegenstandskonstitutive“ Funktion
in der Erfahrung, im Erkennen, im
Lernen und im Lehren zukommt.[3]
Was jemand erfährt, denkt, lernt
oder lehrt, wird dieser These
zufolge niemals durch eine
vorgegebene transzendentale oder
empirische Ordnung, sondern
methodisch konstituiert. Die hierauf
abhebende methodische Leitfrage muss
heute nicht so gedacht werden, das
sie einem beispielsweise einem unter
Berufung auf Dewey konzipierten
Einheitsmodell von Erfahrung und
Lernen, verpflichtet ist oder, wie
Blankertz in den 70er Jahren
vorschwebte, einer einzigen
legitimen Verknüpfung von
traditioneller und kritischer
Theorie folgt. Sie kann vielmehr auf
die ausdifferenzierten Formen der
Erfahrung und des Wissens so
ausgelegt werden, dass
lebensweltlichen, teleologischen,
szientifischen, hermeneutischen,
ideologiekritischen,
methodenkritischen und
anwendungsbezogenen Erfahrungs-,
Denk- und Wissensformen je
spezifische methodische Leitfragen
eines angemessenen Lehrens
zugeordnet werden.
Die genannten Formen
von Erfahrung, Wissen und
Wissenschaft haben keineswegs ein
und dieselbe Welt zum Gegenstand,
sondern unterscheiden sich
methodisch und kategorial
voneinander. Sie stehen zudem in
mannigfaltigen Beziehungen und
können nicht in eine einzige Form
überführt oder aufgehoben werden.
Zwischen ihnen sind zahlreiche
Übergänge möglich. Auch sie folgen
keiner holistischen Einheitsstruktur
von Erfahrung, Wissens und Könnens,
sondern sind über Aporien des
Lernens und Lehrens vermittelt, an
denen jeweils spezifische Leistungen
und Grenzen der ihrer spezifischen
Gegenstandskonstitutionen
aufscheinen.
Fokussiert man die methodische
Leitfrage auf unterschiedliche
Zusammenhänge von methodischen und
inhaltlichen Entscheidungen, so
öffnet sich der Blick für mehrere
Implikationszusammenhänge. Diese
lassen sich exemplarisch am Thema
Gesundheit/Krankheit erläutern, das
Herwig Blankertz im Rückgriff auf
eine Examensarbeit von Gisela
Blankertz seinen Hinweisen zur
Bedeutung der methodischen Leitfrage
zugrunde legte. Blankertz
illustrierte die
gegenstandskonstitutive Kraft der
methodischen Leitfrage an der Frage:
„Wie schütze ich mich vor
Infektion?“Die bei Kilpatrick auf eine
Leitfrage für Projekte verkürzte
Formel[4]
eröffnet Zugänge zu einer
mehrperspektivischen
unterrichtlichen Behandlung von
Sachverhalten und Problemen der
Pflege und Erhaltung der Gesundheit
sowie der Behandlung und Vorbeugung
gegen Krankheiten, in der die
zentralen Formen der Erfahrung und
des Wissens zum Zuge kommen. In dem
folgenden Schema (Folie 10) ist dies
für die wichtigsten Wissensformen
angedeutet:
Durch welche Bewegungen von
Kräften und Säften lassen
sich die
Selbstheilungskräfte des
Körpers stärken?
szientifische Ordnung
nach Bacon
Was sind die kausalen
Ursachen von Krankheit und
durch welche Mittel schützt
man sich vor Infektion?
Hermeneutische Ordnung
nach Gadamer
Welches
Gesundheitsverständnis liegt
dem Aristotelischen und dem
Baconeanischen
Wissenschaftsverständnis
zugrunde und in welchen
Sprachformen artikulieren
sich diese?
Hypothetisch-falsifikatorischer
Problemlösungsrahmen nach
Popper
Warum leben statistisch
gesehen Arme kürzer und
Reiche länger und wie sind
die Beziehungen zwischen
Armut, Reichtum, Krankheit
und Gesundheit optimal zu
verändern?
Ideologischer
Verblendungszusammenhang
nach Adorno
Sind Krankheiten einfach als
gesellschaftlich verursacht
hinzunehmen und welche
Ideologien verbergen sich
hinter den Strategien der
modernen Medizin?
lebensweltliche Ordnung nach
Husserl und Fink
Wie zeigen sich Krankheit
und Gesundheit in den
koexi-stenzialen
Handlungsfeldern Arbeit,
Liebe, Herrschaft, Tod und
Spiel und wie werden sie
dort lebensweltlich
erfahren?
Nichthierarchische Ordnung
der ausdifferenzierten
Bereiche des Handelns
Was ist unter einem
ökonomisch, moralisch,
polisch, ästhetisch und
religiös gelingenden Leben
zu verstehen und wie lassen
sich in diesem Krankheit und
Gesundheit verorten?
Die auf den von
Aristoteles reflektierten
teleologischen
Konstitutionszusammenhang von
Erfahrung, Lernen und Lehren
bezogene Leitfrage könnte
beispielsweise lauten: Welche
selbstzweckhaften Zusammenhänge
liegen der Gesundheit zugrunde, wie
kann Medizin bei vorliegenden
Krankheiten die Selbstheilungskräfte
des Körpers stärken? Wie können
Einsichten in solche Zusammenhänge
durch Erfahrung und Erziehung
erworben werden? Wie kann die
Aufmerksamkeit von Lernenden von der
Wahrnehmung einzelner
Krankheitssymptome auf die
Selbstheilungskräfte des Körpers
gelenkt werden und was ist unter
einer Lebensführung zu verstehen,
die diese Kräfte stärkt und nicht
schwächt?
Bacons Modell von
Erfahrung, Lernen und Lehren liegt
eine andere kategoriale
Gegenstandskonstitution zugrunde,
der eine andere methodische
Leitfrage korrespondiert. Die zu
erörternden Fragen lauten nun: Was
sind die kausalen Ursachen von
Krankheiten und wie kann man
zwischen irrtümlich angenommenen und
wirklichen Ursachen unterscheiden?
Welches Können folgt auch diesem
Wissen und wie kann man
Heranwachsenden beibringen, sich
klug vor Infektionen zu schützen?
Über die
teleologischen und technologischen
Ausgangsmodelle von Aristoteles und
Bacon hinausweisende Spielräume
entstehen, wenn auch die
Gegenstandskonstitutionen und
methodischen
Implikationszusammenhänge der
Reflexionsansätze des 20.
Jahrhunderts bedacht werden. Von
Gadamer (1960/1975) her lassen sich
konstitutive Vorurteilsstrukturen in
den Blick nehmen, die über die
teleologischen Denkformen des
Aristoteles hinausweisen und Bacons
Ideal einer radikalen Überwindung
jeglicher Vorurteile widerstreiten.
Die methodische Leitfrage lautet
hier: Welche wirkungsgeschichtlichen
Antizipationen sind in sprachlich
vermittelten Weltdeutungen von
Gesundungsprozessen und
Krankheitsverläufen wirksam und wie
können diese so reflektiert werden,
dass Spielräume für neue
medizinische Erfahrungen und ein
neues Verständnis von Gesundheit und
Krankheit entstehen?
Wirkungsgeschichtliche Erinnerung
kann z.B. den Blick dafür schärfen,
dass Menschen in medizinischer
Hinsicht lernen, sich zu ihren
Krankheiten zu verhalten und ein
Leben mit der Krankheit zu führen.
Zu der Maxime „Wissen ist Macht“
tritt dann als eine konkurrierende
diejenige hinzu, welche Formen von
Selbstsorge und Selbstumgang zu
einem humanen Leben gehören, das
Wechselfälle von Gesundheit und
Krankheit kennt und am Ende zum Tode
führt.
Von Popper
(1934/1973) her lässt sich Bacons
Paradigma mit einer weiteren
Leitfrage konfrontieren. Wenn
neuzeitliche Wissenschaft nicht, wie
Bacon meinte, auf induktiv zu
gewinnenden Erfahrungen basiert,
sondern mit Theorien und
Antizipationen arbeitet, die an der
Erfahrung scheitern können, und wie
lassen sich dann durch eine am
Prinzip der Falsifizierbarkeit
wissenschaftlicher Aussagesysteme
orientierte Forschung die Spielräume
für neue Hypothesen und
Hypothesensysteme erweitern?
Rückfragen dieser Art müssen
keineswegs zwangsläufig zu einer
Erneuerung des
einheitswissenschaftlichen Programms
des „Novum Organon“ von Bacon
führen. Sie können den Blick über
dieses hinaus beispielsweise für
evolutive Prozesse öffnen, die nicht
der Formel von der Einheit von
Wissen und Macht folgen, sondern
zwischen einer die Natur erhaltenden
und pflegenden und einer die Natur
zerstörenden Ausübung von Macht zu
unterscheiden erlauben. Die
methodische Leitfrage könnte dann
lauten: Wie lassen sich natürliche
von kulturellen Krankheiten
unterscheiden und welche
Überlagerungen beider gibt es? An
welchen Formen von Kausalität finden
menschliches Wissen und menschliche
Macht ihre Grenze? Wie kann
neuzeitliche Wissenschaft
Zusammenhänge zwischen natürlicher
und kultureller Evolution
erforschen? Wie lassen sich die
Wissensformen und Strategien einer
fortschreitenden Machsteigerung um
solche einer aufgegebenen Sorge um
die Erhaltung der natürlichen
Lebensgrundlagen und basalen
Bildungsmöglichkeiten der Menschen
erweitern?
Die
Vorurteilsstrukturen sprachlich
vermittelter Selbst- und
Weltdeutungen können nicht nur
wirkungsgeschichtlich und
kritisch-rationalistisch, sondern
auch ideologiekritisch,
phänomenologisch sowie
voraussetzungskritisch durch eine
Problematisierung unseres
Vernunftgebrauchs reflektiert
werden. Horkheimer und Adorno
(1947/1971) haben eingangs ihrer
„Dialektik der Aufklärung“ die
Ideologiekritik in Bacons „Novum
Organon“ einer nochmaligen
Ideologiekritik im Hinblick auf ihre
gesellschaftlichen Voraussetzungen
unterzogen. Dabei konnten sie
zeigen, dass das von Bacon
beschriebene Programm neuzeitlicher
Wissenschaft nicht als Annäherung
menschlichen Wissens an die
naturgesetzliche Ordnung eines
Schöpfergottes interpretiert werden
kann, sondern gesellschaftlichen
Wertüberzeugungen einer Identität
von Wissen und Macht verpflichtet
ist, die im Kontext neuzeitlicher
bürgerlicher Gesellschaften
entstanden sind. Die methodische
Leitfrage nimmt nun die folgenden
Gestalt an: Wie ist die Geltung und
Reichweite eines Wissens, das Macht
verleiht und Welt machtförmig
interpretiert, mit Blick auf
Phänomene und Sachverhalte wie
Krankheit und Gesundheit zu
bestimmen und welche alternativen
Wissensformen gilt es zu erinnern,
wenn der Zusammenhang von Wissen und
Macht reflektiert und nicht zu der
Ideologie verkommen sollen, dass
alle Krankheiten irgend wann einmal
heilbar und die Lebensprozesse
beliebig verlängerbar sein werden?
Von Husserl her
können schließlich lebensweltliche
von szientifischen
Erfahrungszusammenhängen
unterschieden und die
Abstraktionsleistungen der an
neuzeitliche Subjektivität
gebundenen szientifischen
Wissensformen so reflektiert werden,
dass lebensweltliche Phänomene nicht
zu sekundären Qualitäten reduziert
werden. Der Verweis auf die
phänomenologische Differenz
begründet zwar ebenso wie die
anderen angesprochenen
Unterscheidungen keine neue
transzendentale Ordnung, führt
jedoch über den Dual zwischen
normativ-teleologischen und
szientifisch-technischen Optionen
und Orientierungen hinaus. Die
methodische Leitfrage zielt alsdann
nicht mehr darauf, hinter der
empirischen Welt eine von dieser
quasi unantastbare Lebenswelt
sichtbar zu machen, sondern erlaubt
es, den Begriff der Lebenswelt als
ein Korrektiv zu nutzen, mit dem
Weltbezüge thematisiert werden
können, die sich im Erleben von
Krankheit beispielsweise nicht in
den Firmen eines herrschaftlichen
Wissen und einer machtförmigen
Technik erschließen, sondern erst im
Medium von widerständiger Welt- und
Selbsterfahrung sowie die Krankheit
am Ende zulassender Kontemplation
mitteilen.
4. Zur Bedeutung der
skizzierten Zusammenhänge von
Erfahrung, Lernen und Lehren für
erziehungswissenschaftliche
Forschung, Lehrerbildung und
Schulreform
Zum Anschluss möchte
ich nach der Bedeutung fragen, die
den angesprochenen Formen und
Zusammenhängen von Erfahrung und
Lernen, Wissen und Lehren mit Blick
auf erziehungswissenschaftliche
Forschung, Lehrerbildung und
Schulreform zukommen könnte. Die
älteren Paradigmen beziehen sich auf
die Unterscheidung zwischen
Wissensformen, die an überdauernden
ewigen Zwecken ausgerichtet sind,
und solchen, die den neuzeitlichen
Wissenschaften zugrunde liegen.
Erstere suchen das menschliche
Denken und Handeln an vernünftigen
Zwecken auszurichten, die
menschlicher Willkür entzogen sind.
Letztere verleihen dem Menschen
Macht über Natur, Psyche und
Gesellschaft. Die in der
Hermeneutik, im kritischen
Rationalismus, in der kritischen
Theorie und im Pragmatismus
reflektierten Zusammenhänge weisen
über den Dual von antikem und
neuzeitlichem Wissen hinaus und
lenken den Blick auf didaktische
Leitfragen, die jenseits der Duals
von Input und Output zu erörtern
sind. Für die noch ausstehende
fachdidaktische Auslegung der
pluralen Wissensformen und ihrer
fachspezifischen Leitfragen lassen
sich vier Problemkonstellationen
festhalten:
(1.) Lernen finden
nicht zwischen einem Input an Wissen
und einem Output an Können statt,
sondern ist an das Fraglichwerden
schon erworbener Vorstellungen und
an Irritationen zurückgebunden, in
denen die Lernenden neue Erfahrungen
machen, so dass sie selbst und ihre
Welt eine andere werden. Nicht nur
positiven Erfahrungen, in denen
vorgegebene Vorstellungen des
Wissens und Könnens bestätigt
werden, sondern auch negativen
Erfahrungen, die Spalten zwischen
Wissen und Nicht-Wissen, Können und
Nicht-Können erzeugen, kommt eine
bildende Bedeutung zu.
(2.) Es gibt nicht
eine einzige Form des Lernens und
der diesem zugrunde liegenden
positiven und negativen Erfahrungen,
sondern verschiedene Formen. Diese
reichen von zweckgeleiteten
Erfahrungen über solche einer
Einheit von Wissen und Macht und
überschreiten beide dann zu
historisch-hermeneutischen,
kritisch-rationalistischen,
ideologiekritischen und
pragmatischen Formen des Wissens.
Öffentliche Erziehung, die diese
Formen zur Geltung bringt, muss sich
zum Grundsatz einer Pluralisierung
von Erfahrungsweisen,
Reflexionsformen und Kritik
bekennen. Für sie gilt, dass keine
der unterschiedenen Wissensformen
monopolisiert werden oder die
anderen überwältigen darf, sondern
dass Kontroversen zwischen den
verschiedenen Formen der Erfahrung
und des Wissens offenzulegen und
auszutragen sind.
3.) Es wird weiterhin
Inputorientierungen für öffentliche
Lehr-Lernprozesse und Evaluationen
ihres Outputs geben. In- und Output
müssen jedoch so definiert werden,
dass bildende Prozesse selbst
zwischen und jenseits von Input und
Output verortet werden können. Ziel
öffentlicher Erziehung kann es nicht
sein, nach Maßgabe irgendeines
Inputs Outputs zu erzeugen. Ziel ist
vielmehr, Heranwachsende urteils-
und partizipationsfähig zu machen,
urteilsfähig in den
ausdifferenzierten Wissensformen und
partizipationsfähig an ökonomischen,
moralischen, politischen,
pädagogischen, ästhetischen und
religiösen Diskursen und
Entscheidungsprozessen.
(4.) Zur Demokratie
gehört, dass die Pädagogen und
Lehrer nicht die Politiker im Staate
sind. Soll dies so bleiben, darf der
Staat die Erziehung nicht darauf
verpflichten, einen in seinem Sinne
fertigen Menschen an die
Lebensgemeinschaften abzugeben.
Urteils- und Partizipationsfähigkeit
als Erziehungsziele öffentlicher
Bildung schließen jedwede
Perfektheit im Sinne
erziehungsstaatlicher oder
staatspädagogischer Ideale aus. In
Fragen, in denen Staat und
Gesellschaft selber im Ringen nach
der Idee des Guten stehen, darf
dieses Ringen durch Erziehung weder
entschieden noch vorentschieden
werden. Auch hier liegen die
didaktisch relevanten Zusammenhänge
jenseits von wissensorientierter
Input und kompetenzorientierter
Outputsteuerung und –orientierung.
[1]
Weithin vergessen sind
Überlegungen, wie sie H. Aebli
(1983) auf dem 8. Kongress der
DGfE in Regensburg 1982 zur
Diskussion stellte.
[2] Zur
bildenden Bedeutung des Spalts
siehe Waldenfels: 2004;
Benner/English 2004; A. English
(2008) bindet die bildende
Bedeutung von Irritationen
neuerdings an unterbrochene
Erfahrungen (interruptions)
zurück. Vgl. auch die Analyse
von Unterrichtstranskripten bei
Gruschka 2007.
[3]
Vgl. hierzu H. Blankertz 11969,
S. 92ff.; 91975, S.
94ff.; siehe auch den Verweis
auf G. Blankertz 1967: „Wie
schütze ich mich vor
Infektion?“, ebd., S. 100); vgl.
ferner Kaiser 1972 und
Kaiser/Menck 1972.
[4]Diese Frage findet sich der Sache
nach schon in Kilpatricks
Typhusexperiment, von dem wir
heute wissen, dass es niemals
stattgefunden hat, sondern von
einem Doktoranden Kilpatricks,
der zunächst eine Dissertation
über frontalen Unterricht
vorgelegt hatte, erfunden wurde,
um bei Kilpatrick promovieren zu
können.
Zur späten Korrektur der
Erzählung Kilpatricks über die
angebliche Erfindung der
Projektmethode siehe Knoll 1992.
Literatur:
Aebli, H. (1983): Die Wiedergeburt
des Bildungsziels Wissen und die
Frage nach dem Verhältnis von
Weltbild und Schema. In: 18. Beiheft
der Zeitschrift für Pädagogik.
Weinheim und Basel 1983, S. 33-44.
Aristoteles: Politik,
übersetzt
von E. Rolfes. In: Ders.:
Philosophische Schriften. Band.
Darmstadt 1995.
Bacon, F. (1627): Neu Atlantis,
übersetzt
von G. Brugge. Stuttgart 1982.
Ders. (1620): Neues Organ der
Wissenschaften,
übersetzt
und hrsg. von A. Th. Brück.
Darmstadt 1974.
Benner, D./English, A. (2004):
Critique and Negativity: Towards the
Pluralisation of Critique in
Educational Practice, Theory and
Research.
In: Journal of Philosophy of
Education. Vol. 38, S. 409-428.
Blankertz, H. (11969 und
91975): Theorien und
Modelle der Didaktik. München.
Bober, R. (1997): Was gibt’s Neues
vom Krieg. München.
Dewey, J. (1916): Democracy and
Education (1916). In: Ders.: The
Middle Works 1899-1924.
Vol. 9.
Ders. (1927): Die
Öffentlichkeit
und ihre Probleme. Aus dem
Amerikanischen von W.-D. Junghanns,
hrsg. und mit einem Nachwort
versehen von H.-P. Krüger.
Bodenheim 1997.
Ders. (1964): Demokratie und
Erziehung,
übersetzt
von E. Hylla. Braunschweig usw.
English, A. (2008): Interrupted
Experiences: reflection, listening
and negativity in the practice of
teaching. Learning Inquiry vol. 1, Nr. 2, S. 133-142.
Gadamer, H.-G. (1960/1975): Wahrheit
und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Tübingen.
Gruschka, A. (2007): „Was ist guter
Unterricht?“
Über neue Allgemein-Modellierungen aus dem Geiste der
empirischen Unterrichtsforschung.
In: Pädagogische
Korrespondenz. Heft 36, S. 10-43.
Horkheimer, M./Adorno, Th. W.
(1947/1971: Dialektik der
Aufklärung. Frankfurt a.M.
Husserl, E. (1936/1992): Die Krisis
der europäischen Wissenschaften und
die transzendentale Phänomenologie.
Cartesianische Meditationen, hrsg.
von E. Ströker. Hamburg.
Kaiser, H.-J. (1972):
Erkenntnistheoretische Grundlagen
pädagogischer Methodenbegriffe. In:
P. Menck/G. Thoma (Hrsg.):
Unterrichtsmethode. Intuition,
Reflexion, Organisation. München, S.
129-144.
Kaiser, H.-J./Menck, P. (1972):
Methodik und Didaktik.
Vorüberlegungen zu einer
Ortsbestimmung pädagogischer
Methodenlehren. In: P. Menck/G.
Thoma (Hrsg.): Unterrichtsmethode.
Intuition, Reflexion, Organisation.
München, S. 145-157.
Knoll, M. (1992): Abschied von einer
Fiktion. Ellsworth Collings und das
“Typhusprojekt”. In: Neue Sammlung
32 (1992), S. 571-587.
Platon: Politeia. Band 4 der
Werkausgabe der Wissenschaftlichen
Buchgesellschaft. Darmstadt.
Popper, K. R. (1934/1973): Logik der
Forschung. Tübingen 1973.
Ders. (1991): Alles Leben ist
Problemlösen. In: Ders.: Alles Leben
ist Problemlösen. Über Erkenntnis,
Geschichte und Politik. Zürich 1994,
S. 255-263.
Prange, K. (2005): Die Zeigestruktur
der Erziehung. Grundriss einer
Operativen Pädagogik. Paderborn.
Waldenfels, B. (2004): Die Macht der
Ereignisse. In: Ästhetik Erfahrung.
Interventionen. 13. Zürich usw., S.
155-170.